Was bedeutet Vollfinanzierung und 110 Prozent-Finanzierung?

Vollfinanzierung (100% Finanzierung)

Ohne Eigenkapital baufinanzieren – die Vollfinanzierung

Eine Vollfinanzierung in der Baufinanzierung umfasst nicht nur die Kreditsumme für den Kauf oder den Bau einer Immobilie, sondern auch zusätzlich die Baunebenkosten. Die Baunebenkosten, deren Höhe sich aus dem Kaufpreis, den kaufspezifischen Dienstleitungen wie Makler und Notar sowie aus den bundesländerabhängigen Gebühren berechnet, umfassen folgende Bereiche:

  • Maklercourtage
  • Notarhonorar
  • Gebühren für den Grundbucheintrag
  • Grunderwerbsteuer

Durchschnittlich summieren sich die Kaufnebenkosten auf 7 bis 12 Prozent des Kaufpreises der Immobilie. Wer eine übliche Baufinanzierung wählt und darauf bedacht ist, den Zinssatz – und damit die Kreditkosten – möglichst günstig zu halten, sollte in der Regel mindestens 30 Prozent Eigenanteil an der Gesamtfinanzierung der Kaufsumme einbringen und sämtliche Kaufnebenkosten mit liquiden Eigenmitteln bezahlen. Grundsätzlich lohnt sich eine Vollfinanzierung zumeist nur in Niedrigzinszeiten – auch mit Blick auf eine bessere Verzinsung verschiedener Anlageformen wie z. B. Aktien, Fonds oder Anleihen. 

 

Die Nachteile einer Vollfinanzierung

 

  • Die Konditionen der Vollfinanzierung sind immer teurer als Finanzierungen, in die man einen Eigenkapitalanteil einbringt.

  • Nur wenige Banken bieten Vollfinanzierung an. Außerdem prüfen sie die finanzielle Situation des Antragstellers besonders kritisch und verlangen langfristige Sicherheiten, die das Risiko einer Vollfinanzierung minimieren.

  • In der Regel werden bei einer Vollfinanzierung sehr hohe Tilgungen verlangt, was die monatliche Belastung für den Kreditnehmer erhöht.

  • Der Antragsteller sollte nach Möglichkeit völlig schuldenfrei sein und keine weiteren Kredite wie z. B. Konsumentenkredite bedienen müssen.

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Hohe Zinsaufschläge und hohe Tilgungsraten minimieren das bankseitige Risiko


Höhere Zinsen bei geringem Eigenkapitalanteil sind nicht ungewöhnlich. Wer weniger als 30 Prozent Eigenmittel für den Kaufpreis einer Immobilie aufbringen kann, wird normalerweise mit einem höheren Zins „bestraft”. Bei einer zusätzlichen Finanzierung der Erwerbsnebenkosten, also bei der 110-Prozent-Finanzierung, verlangt die Bank weitere Risikoaufschläge, die von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Bonität, dem Immobilienwert, der Lage und anderen persönlichen Rahmenbedingungen des Kreditinteressenten abhängen.

Der teilweise nicht unbeträchtliche Risikoaufschlag dient der Bank als Sicherheit: denn werden die Kaufnebenkosten mitfinanziert, übersteigt der zu finanzierende Kreditbetrag oftmals den Wert der Immobilie – zumal Immobilien aktuell bereits zu Höchstpreisen verkauft werden. Der Risikoaufschlag schützt die Bank also vor der zu erwartenden Differenz zwischen Versteigerungserlös im Falle einer Zwangsversteigerung und der verbliebenen Restschuld des Darlehens zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers.

Wer kommt für eine Vollfinanzierung und 110 Prozent-Finanzierung in Frage?

In vielen Fällen gilt der „40-Prozent-Regel“ als Maßstab, ob eine Bank Gespräche für eine Vollfinanzierung beginnt. Diese „40-Prozent-Regel“ besagt, dass die monatlichen Raten für Zins und Tilgung nicht mehr als 40 Prozent des monatlichen Einkommens ausmachen dürfen. Falls der Kreditinteressent noch andere Kredite parallel bedienen muss, werden diese Raten mit angerechnet. Diese Regel deckelt die maximal zur Verfügung gestellte Kredithöhe und verlangt außerdem, dass Kreditinteressenten einer Vollfinanzierung ein überdurchschnittlich hohes Einkommen benötigen.

Hohe Tilgung ist Voraussetzung für die Gewährung einer Vollfinanzierung

Banken erwarten von Kreditnehmern, dass sie hohe Tilgungsleistungen erbringen. Zusammen mit der „40-Prozent-Regel” deckelt der hohe Tilgungssatz die Höhe der Monatsrate und damit die Höhe der gewährten Kreditsumme. Damit stellen Banken zudem sicher, dass die Kunden einer Vollfinanzierung über ein hohes und vor allem stabiles Einkommen verfügen.


Die Bonität ist eine weitere Hürde der Vollfinanzierung


Die SCHUFA – Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung – spielt zudem eine wichtige Rolle. Das Register darf im Prinzip keine negativen Einträge des Kreditinteressenten ausweisen. Je höher der Scorewert des Kreditinteressenten jedoch ist, desto eher wird ihm auch eine Vollfinanzierung gewährt. Jede Bank legt zudem eigene Maßstäbe an und bewertet die Informationen aus dem SCHUFA-Register nach ihren Regeln.

Grundsätzlich sollte man die SCHUFA-Auskunft vor einer Anfrage für eine Vollfinanzierung vorab prüfen und mögliche Fehleinträge korrigieren lassen. Auch sollten fehlende oder fehlerhafte Angaben vervollständigt werden, damit die Bank ihre spätere Entscheidung auf Basis aktueller Informationen treffen kann.


Wie findet man eine Bank für eine Voll- oder 110 Prozent-Finanzierung?

Bankenunabhängige Baufinanzierungsvermittler sind eine gute Anlaufstelle. Diese verfügen übe eine tagesaktuelle Übersicht aller Banken, die grundsätzlich bereit sind, eine Baufinanzierung ohne Eigenkapital zu unterstützen. Zusammen mit diesen Online-Vermittlern kann man auch feststellen, ob es überhaupt realistisch ist, eine Vollfinanzierung zu erhalten

Zusätzlich lohnt sich immer auch die Nachfrage bei der eigenen Hausbank. Sie kennt Ihre finanziellen Verhältnisse meistens am besten. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Hausbank über die Stabilität der Einnahmen ihrer Kunden im Detail informiert ist und auf eine gemeinsame Historie blicken kann:

  • Gab es in der Vergangenheit bereits Kredite, die regelmäßig bedient wurden?
  • Zeigen die Daten aus der Vergangenheit, dass man immer genügend Geld zur Verfügung hatte? Das wirkt sich auf die Risikoeinschätzung aus.

Außerdem ist im Zuge der Antragstellung Seriosität und Transparenz gefragt: Antragsteller sollten der Bank alle gewünschten Informationen vorlegen, nichts verbergen und immer relevante Auskünfte zur Verfügung stellen. Treten im Zuge der Antragsstellung Unregelmäßigkeiten auf, werden die Gespräche meistens abgebrochen. 

Die gute Nachricht aber ist: Banken wollen Geschäft machen und sie verdienen gut an einer Vollfinanzierung. Informierte Kreditnehmer erwecken einen seriösen, zuverlässigen Eindruck, was für die Bank signalisiert, dass der Kreditnehmer die Tragweite einer Vollfinanzierung überblickt. Deswegen ist die Unterstützung durch eine bankenunabhängige Beratung und Betreuung durch einen Baufinanzierungsvermittler immer auch eine gute Idee. Um eine Vollfinanzierung eher zu erhalten, sollten Kreditnehmer die Erwerbsnebenkosten selbst finanzieren. Das senkt den Zinssatz. Zudem sinkt die Kredithöhe und damit die monatliche Belastung. Und es sinkt das bankenseitige Risiko.

Wer vollfinanziert, muss sich im Klaren sein, dass man länger tilgt, einen schlechteren Sollzins erhält und wesentlich höhere Zinskosten tragen muss. Die accedo AG zeigt in einer Beispielrechnung, was eine 100%-Finanzierung bei einem vergleichsweise moderaten Kreditbetrag von 220.000 Euro bedeutet.

  • Vollfinanzierung von 220.000 Euro (zum Zinsstand Ende 2019):
  • Bei einer 100 Prozent-Finanzierung wird der Kreditnehmer mit 744 Euro pro Monat belastet.
  • Bei einer 110-Prozent-Finanzierung – also mit Kaufnebenkosten – werden 906 Euro im Monat fällig.
  • Bringt der Interessent jedoch 40.000 Eigenkapital in die Finanzierung ein und braucht somit 180.000 Euro Kredit, zahlt er nur noch 574 Euro im Monat – und das über einen Zeitraum von 20 Jahren. Im Vollfinanzierungsfall dagegen beträgt die Laufzeit 35 Jahre.
  • Teuer wird es, wenn der Vollfinanzierer sich nach 15 Jahren von der Immobilie trennen will.
    Er erhält zwar den getilgten Betrag von 73.292 Euro – aber auch nur unter bestimmten Voraussetzungen – zurück. Von den 55.865 Euro Zinskosten, die bislang angefallen sind, sieht er jedoch nichts mehr. Bei einer Baufinanzierung mit 40.000 Euro Eigenkapital dagegen erhält er zum selben Zeitpunkt die getilgten 101.192 Euro wieder und muss lediglich 38.405 Euro an Zinskosten abschreiben.

Fazit: Ohne Eigenkapital Immobilie finanzieren – eine Alternative für Gutverdiener


Vollfinanzierung ist eher etwas für Kreditnehmer mit einem hohen über Jahre gesicherten Einkommen, die zudem in der Lage sind, mit besonders hohen Tilgungen (z. B. 10 Prozent) den Kredit schneller als üblich zurückzuzahlen. Eine weitere Einschränkung: Selbständige und Freiberufler werden normalerweise keine Bank finden, die eine 100-Prozent-Finanzierung gewährt. Die besten Karten haben hier jüngere Beamte im mittleren und höheren Dienst. 

Wenn langfristige, gute und stabile Einkommensverhältnisse gegeben sind, kann über eine 100 Prozent-Finanzierung nachgedacht werden. Den aufgrund des Steuerrechts, welches unter Bedingungen Schuldzinsen anrechnet, kann eine Vollfinanzierung unter Umständen dem Vermögensaufbau dienen. Das muss aber umfassend mit dem Steuerberater besprochen werden. Auch ist das Baufinanzierungskonzept oftmals ein Mix verschiedener Bausteine – und kein „einfaches” Annuitätendarlehen. Deswegen ist angeraten, für eine 100%-Finanzierung die fachkundige und bankenunabhängige Expertenberatung zu suchen.

Unser Tipp: Fachkundige Beratung ist die Grundlage einer sicheren Vollfinanzierung

Eine Vollfinanzierung kostet viel mehr. Sie führt zu höheren monatlichen Belastungen der Familienkasse. Und macht zudem Probleme, wenn man die Immobilie innerhalb der Darlehenslaufzeit verkauft. Banken bieten die 100-Prozent-Finanzierung in der Regel nur Beamten und Besserverdienern an, die langfristig in einem Angestelltenverhältnis stehen. Sie hat dann Vorteile, wenn mit dem Steuerberater zusammen ein Steuerspar-Konzept erarbeitet ist, welches auf der steuerlichen Absetzbarkeit von Schuldzinsen gründet. Zudem erfordert sie ein umfassendes Baufinanzierungs-Know-how, das nicht jeder hat. Oft kommen Kombinationen verschiedener Finanzierungsbausteine zu tragen. Dann kann eine Vollfinanzierung auch zu einem optimierten Vermögensaufbau beitragen.

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